Im Repertoire seit 1993. 20 Jahre später eine Neufassung. Zwei chronologische Eckpunkte, die Münchner Tanzfans mit John Neumeiers Klassiker „Ein Sommernachtstraum“ verbinden. Wer in Erinnerungen schwelgen möchte, dem sei die Lektüre der langen Liste hiesiger Hauptinterpreten im Programmheft angeraten. Vor Ort sollte man jedoch vergleichsvorurteilsfrei das unmittelbar ergreifende, körperpräsente Bühnentanzspiel der neuen Besetzung genießen.
Musikalisch hat die bewegungstechnisch wie darstellerisch höchst anspruchsvolle Ballettkomödie drei Ebenen: Mendelssohns einschlägig bekannte Bühnenmusik für die aristokratische Hochzeitsgesellschaft um Theseus und Hippolyta, Ligetis Klangflächen-Kompositionen fürs zeitlos-irreale Feenvolk und herrlich knarzige Drehorgelmusik mit teils schmissigen Opernohrwürmern für die Handwerker-Clique, die die Einstudierung ihres Feststücks „Pyramus und Thisbe“ – als Spiel im Spiel – umtreibt.
Letztere fungieren endlich wieder als wunderbare Lachmuskelkitzler – aktuell angeführt von Robin Strona (Zettel), während Dustin Klein (wieder Flaut/Thisbe) sich en travestie selbst übertrifft. Elfenkönig Oberon (Erik Murzagaliyev) und seine Titania sind sich gefühlsmäßig uneins. Überirdisch demonstrieren sie in schnörkellos-modernem Trikotlook ihre Ansprüche mittels akrobatischer Turnerei.
Ksenia Ryzhkova lässt uns in der Doppelrolle Hippolyta/Titania – aufregend unerfahren – an einer ganzen Empfindungspalette teilhaben: von Unsicherheit, Kühle, aufblühender bis zu feurig-ausgelebter Leidenschaft. Toll! Aber auch Menschenherzen geraten sichtlich aus dem Takt. Helena (ulkige Eigenbrötlerin mit Brille: Maria Shirinkina) schwärmt für Demetrius (Javier Amo), der seinerseits, militärisch stets zackig im Schritt, vergeblich um Hermia (erstmals: Ivy Amista) wirbt. Diese hat längst ihre Liebe gefunden – in Lysander, den Jonah Cook, unbändig vor Liebe, hinreißend verkörpert.
Dass einige bei ihrem Rollendebüt noch mit Neumeiers tempo- und griffvertrackten Hebungen zu kämpfen hatten, trübte den Gesamteindruck der ungemein lebendigen Neueinstudierung kaum. In deren Zentrum strahlte von innen heraus faunisch-gierig-launig-spaßig Osiel Gouneo: mal als eleganter, taff-durchblickender Zeremonienmeister, vor allem aber als übermütig-neugieriges Elfenwesen Puck. Das feine Nuancieren seiner Ausdrucksgestaltung verdankt er wohl Kevin Haigen. Als Amerikaner aus Miami hatte dieser vor 40 Jahren die Partie beim Hamburg Ballett aus der Taufe gehoben. Die intensive Probenarbeit mit dem jungen Kubaner mag eine Seelenverwandtschaft aufgedeckt haben. Berufsglück, das Gouneo ab sofort mit dem Publikum teilt.
Bayerisches Staatsballett „Ein Sommernachtstraum“ Choreografie: John Neumeier. Wiederaufnahme am 13. Mai 2017 im Münchner Nationaltheater, weitere Vorstellungen: 26., 31. Mai und 2. Juni.