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perfectst1Fremdheit, Heimat, Vertrautheit, Abgrenzung, all das wird in der medialen Öffentlichkeit fast ausschließlich über die Sprache verhandelt. Doch wie manifestiert sich die kulturelle Herkunft im Körper und in den Bewegungen der Menschen? Diese in unserer mobilen Welt keineswegs unwichtige Frage untersuchen Gisela Elisa Heredia und ihr Team tanz.coop in „Perfect Stranger“. Das Ergebnis ist ein heftiger Adrenalinstoß!

Die Fantasiesprache, mit der Yusimi Moya Rodriguez das Publikum anspricht, versteht keiner, doch ihre Gestik, ihr Lächeln und ihre freundliche Einschulung an einzelne Zuschauer zur Weitergabe von Objekten macht deutlich: Freundin. Nicht ganz so eindeutig ist das ein wenig später bei Katharina Senk. Sie preist lauthals das „apple land“ und beißt kräftig in die saftige Frucht. Vor lauter Begeisterung spritzen ihr beim Sprechen die Apfelstücke aus dem Mund – Marina Rützler assistiert dabei im Hintergrund: Einladend? Naja. perfectst3

Wenn anfangs die vier TänzerInnen mit ihren individuellen Bewegungsmotiven auf die Bühne kommen, lernen sie allmählich voneinander und finden zu einer einheitlichen Gruppenchoreografie zusammen. So brav kann das nicht lange gut gehen – und richtig, sie rennen aufeinander zu, prallen heftig aneinander und schmeißen sich so gegenseitig zu Boden. Nach und nach entfaltet sich ein Spiel des gegenseitigen Erforschens. Was kannst du, was ich nicht kann? Wer hat die beweglichere Zunge? Wer kann die Augen wilder rollen? Yusimi Moya Rodriguez lädt zu einer feurigen Salsa ein – mit locker rotierenden Hüften jagt die quirlige gebürtige Kubanerin ihre KollegInnen über die Bühne. Klar, das heizt ein und da muss man sich die Klamotten vom Leib reißen. Das wiederum facht bei dem aus den Philippinen stammenden Ardee Midel Dionisio erotische Gefühle an – mit aufreizendem Gebaren entwickelt er in roter Unterhose einen wahren Anmachtanz, der nicht zu stoppen ist – und von den Frauen dementsprechend kühl quittiert wird. Artig zieht er sich wieder an. Das sind nur einige Szenen aus einer schier unerschöpflichen Collage zum Thema, das sich in der so international besetzten Wiener Tanzszene geradezu aufdrängt.

perfectst2Die Choreografin mit argentinischen Wurzeln gestaltet ihre Untersuchung lustvoll und leidenschaftlich. In „Perfect Stranger“ wechseln ständig die Aktionsebenen, von ernsthaft bis pathetisch, von witzig bis maßlos übertrieben, von ver-rückt bis absurd. Vor allem aber ist es eine zeitgenössische Tanzperformance die keine Berührungsängste zur Show hat. Da mag es noch einige Schwächen im dramaturgischen Aufbau geben, den man mit einigen Montageschnitten sicher stringenter machen könnte. Doch die Stärke von Gisela Elisa Heredias Arbeit liegt im Energielevel, den sie aus ihren DarstellerInnen herausholt. Alle vier beweisen sich als großartige TänzerInnen, SchauspielerInnen und KomödiantInnen. Sie verausgaben sich ohne zu ermüden und fesseln mit ihrer durchgehend hellwachen Präsenz. Derart animiert jubelte ihnen das Premierenpublikum am Ende zu Recht enthusiastisch zu.

Gisela Elisa Heredia & tanz.coop „Perfect Stranger“, Premiere am 19. April. Weitere Vorstellungen bis 22. sowie am 26. und 27. April 217 im KosmosTheater.