Es mutet beinahe tröstlich an, wenn Christine Gaigg versucht, dem Horror von Krieg, Terror und Gewalt anhand von fünf Enactments so etwas wie Ordnung zu geben. Sie verschiebt die Gräueltaten, die uns tagtäglich über die Medien erreichen, auf eine rein ästhetische Ebene. Sie bezieht sich dabei auf die Theorie, dass auch der IS in seinen Propagandavideos einer Ästhetik folgt … Es geht um eine „Gestaltung des Schreckens, das Erhabene“ klärt uns die Stimme aus dem Off auf, die Textfragmente auf Deutsch und Englisch zu dem Thema vorträgt.
Um fünf beleuchtete Tische sitzt das Publikum, an den Tischen wird gebastelt: Robert Steijn, der Bildhauer (der Schöpfer?), formt aus Knete einen Penis, den er in einen Gotteskrieger umformt, und danach mit einem Messer zerstückelt. Juliane Werner lässt als hexenhafte Chemikerin eine Armada aus Mini-Papierschiffchen in den nicht enden wollenden Schaumblasen, die sie zuvor erzeugt hat, versinken. Frans Poelstra – in seinem eleganten Seidenanzug ein John Malkovitch in seiner perfidesten Rollen – bastelt mit klinischer Coolness eine Massenexekution, in dem er seinen Papierfiguren unter der Flagge des IS die Köpfe abschneidet und diese auf Holzstäbchen aufspießt.
Alex Deutinger platziert als Militärstratege seine Flugzeuge (Einmalrasierer), arrangiert diese Fliegerstaffeln zu Siedlungen, auf die die Bomben prasseln (Kohletabletten). Danach bringt er seinen Panzer in Stellung um alles endgültig zu zerstören. Marta Navaridas, Terroristin mit Rucksack und Hoodie, zeichnet Exekutionen – erschießen, aufhängen, Kopf abschneiden – und hängt die kleinen Kunstwerke auf Mini-Guillotinen auf.
Dazu wummert die elektronische Komposition von Klaus Schedl unermüdlich, erst mit unterschiedlicher Intensität, dann mit zunehmender Lautstärke bis zur Schmerzgrenze. Während die Akteure von einem Tisch zum nächsten wandern.
Christine Gaigg verwickelt den Zuseher nicht in ein emotional aufgeladenes Narrativ, sondern seziert mit kluger Distanz die Mechanismen von Krieg und Gewalt. Einerseits wirken diese ritualisierten Abläufe beruhigend und sind in ihrer Verspieltheit durchaus unterhaltsam. Andererseits suggerieren die Aktionen, in Assoziation an die digitalen Vorbilder, ein tiefes, nagendes Unbehagen beim Zuseher. Das ist nicht zuletzt den fünf hervorragenden Performern zu verdanken, die die Ambivalenz des Unterfangens so souverän meistern, indem sie das Konzept trocken und eiskalt umsetzen.
Nach ihrer Arbeit über Pussy Riot ist Gaigg auch diesmal eine eindrucksvolle Verstrickung von ästhetischer Aussage und politischen Inhalten gelungen.
Christine Gaigg "untitled (look, look, come closer)", am 26. Oktober in Atelierhaus Semperdepot der Akademie der bildenden Künste Wien