Wort-Bilder im Körperkontext: Ein schwarz beschichteter Tisch, der von einem Mann und einer Frau mit Kreide beschrieben wird. Ihre Körper ergänzen das Geschriebene, erweitern und kommentieren es, eine Kamera bannt die dabei entstehenden Text-Bilder. Projiziert auf die Wand erzeugt Choreograph Willi Dorner eine fein gesponnene choreografisch-filmische Erprobung und Weiterentwicklung von Heinz Gappmayrs Ein-Wort-Texten.
Der österreichische bildende Künstler Heinz Gappmayr (1925-2010) zählte zu den wichtigen Vertretern der Konkreten und Visuellen Poesie, in dessen Fokus die Sprache steht. Begriffe verwendete er als Kunstgegenstand und generierte damit Denkbilder. Wichtig bei seiner Kunst war die Aktivität des Betrachters, der den Sinngehalt der Begriffe neu fasste. Gappmayr bezog Aspekte der Philosophie, Sprachforschung und Bildtheorie in seine Arbeiten ein. Seine Ein-Wort-Gedichte kamen ohne Syntaxstruktur aus, sie standen für sich alleine, ohne dass ihr Kern überdeckt wurde, aber er stellte sie in einen räumlichen Kontext.
Choreograph Willi Dorner setzt Gappmayrs Zeichenpoesie mit bewegten Körpern in Verbindung und filmt diese (Video: Adnan Popovic). Tänzerin Esther Steinkogler und Performer Chris Owen schreiben Worte, Ziffern und Linien auf eine Tafel und ergänzen diese mit Körperbildern und Bewegungen. Aus „here“ (hier) lassen sie „now here“ (jetzt hier) werden und filmen dabei das Publikum mittels Tablet, damit es sich selbst, auf die Wand projiziert, beim Zusehen beobachten kann. Als die Performer den Abstand zwischen den englischen Wörtern entfernen, entsteht „nowhere“ (nirgendwo). Auch wird Mathematik neu gedacht, wenn aus 1 + 1 = 11 wird oder aus 11 - 1 = 1. Dann ergänzen Körper die mit Kreide auf die Tafel geschriebenen Zeichen, als Steinkogler und Owen sich dazu platzieren und live von oben gefilmt werden. „Anybody“ entsteht da etwa, oder „nothing“ und „everything“ - ein feiner Unterschied in der Bedeutung der gefilmten körpersprachlichen Zeichen zeigt sich schon dadurch, wenn das Gesicht des Tänzers verdeckt gezeigt wird. Zu den Posen kommen auch von Klaviermusik begleitete, ausgeklügelte Bewegungsbilder und choreografierte Zeichnungen.
Willi Dorners „one (work in progress)“ spielt ironisch mit Wörtern, Zeichen, Körpern und Bewegungen und generiert daraus feine Bedeutungsverschiebungen, die das Publikum stets zu entziffern gefordert ist. Kurzweilig, mit präziser Klarheit und feinem Humor wird die künstlerische Arbeit des im Jahr 2010 verstorbenen Heinz Gappmayr filmisch und choreografisch weitergedacht.
Cie. Willi Dorner „one (work in progress)“, 4. August 2016 im Leopold Museum im Rahmen von ImpulsTanz, weitere Vorstellung 6. August 2016