Ein reichhaltiges Repertoire will gepflegt werden, und so standen mit nur wenigen Wochen Abstand zwei Wiederaufnahmen auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper. Für die letzte Vorstellung von „Don Quixote“ am 5. Juni waren die Gäste Marianela Nuñez und Semyon Chudin erstmals in diesen Rollen in Wien zu sehen. Der Dreiteiler „Van Manan | Ekman | Kylián“ wird noch zweimal gegeben, bevor sich alle Energien auf die bevorstehende Nurejew Gala konzentrieren.
„Don Quixote“
Als gebürtige Argentinierin hat Marianela Nuñez das spanische Temperament, das in der Figur der Kitri verkörpert wird, im Blut. Wenn sie mit ihrem Vater (Gabor Oberegger) streitet, geht es hitzig zu. Avancen ihres Geliebten Basil bei anderen Damen werden mit heftigen Eifersuchtsbekundungen quittiert. Abgesehen von dieser speziell schlagfertigen Rolleninterpretation bestach die Primaballerina des Royal Ballet mit ihrer erlesenen Phrasierung, mit der sie in Nurejews Choreografie funkelnde Akzente (als Kitri und auch als Dulcinea) setzte. Semyon Chudin, Erster Solotänzer beim Bolshoi Ballett, hatte es schwer sich gegen dieses Energiebündel zu behaupten. Sauber in der Ausführung seiner Variationen und als sicherer Partner wurde seine Leistung vom Publikum aber nicht minder geschätzt.
Bestechend war an diesem Abend auch der frisch gebackene Erste Solist des Wiener Staatsballetts Davide Dato als Alphatier der Zigeuner (auch wenn das Peitschenknallen weder bei ihm noch bei Chudin funktionierte). Gewohnt edel und makellos Olga Esina als Königin der Dryaden, quecksilbrig fröhlich Nikisha Fogo als Amor. Eine Charmeoffensive eröffnete Nina Tonoli als Erste Brautjungfer. Kirill Kourlaev als Espada wirkte bei einem seiner letzten Auftritte auf der Ballettbühne entspannt und souverän, ebenso wie Alice Firenze als Straßentänzerin. Paul Connelly und das Wiener Staatsopernorchester begegneten der Musik von Ludwig Minkus auch diesmal respektvoll und behandelten die sattsam bekannten Kompositionen nie wie Gassenhauer. Jubelnder Applaus für diese letzte „Don Quixote“-Aufführung in dieser Saison, bei der sich das Ensemble nicht ganz so munter wie die Solisten zeigten.
Hans van Manen, Alexander Ekman und Jiri Kylián
Zwei Tage später wurde das Kontrastprogramm „Van Manan | Ekman | Kylián“ wieder aufgenommen. „Adagio Hammerklavier“ zur extrem langsamen Interpretation von Christoph Eschenbach (vom Tonträger) ist ein diffiziles Werk, das auch an diesem Abend in edle Langatmigkeit abrutschte – trotz der technisch einwandfreien Ausführung der drei Paare Olga Esina und Vladimir Shishov, Ketevan Papava und Roman Lazik sowie Nina Poláková und Eno Peci, der die Melancholie dieser Komposition wohl am Intensivsten zum Ausdruck brachte.
„Cacti“ von Alexander Ekman ist ein humoristisch-verspieltes Stück, doch einige der Gags funktionieren nur einmal. So wirkt der abgehobene Text von Spenser Theberge mit seinen tanztheoretischen Floskeln beim wiederholten Sehen nicht mehr zynisch-witzig sondern schulmeisterlich. Wenn der verbale Schlagabtausch jedoch so exakt in Bewegung umgesetzt wird wie von Rebecca Horner und Andrey Kaydanovskiy, ist das zentrale Duett des Stückes immer ein Vergnügen, ebenso wie der exzentrische Bewegungsmodus des schwedischen Choreografen, der vom Wiener Staatsballett mit freudiger Präzision umgesetzt wird.
Das versöhnliche Ende dieses Abends bildet „Bella Figura“ von Jiri Kylián, eine meditative Hommage an die Schönheit und ihre Vergänglichkeit, die auch an diesem Abend großartig getanzt wurde von Ketevan Papava, Nina Poláková, Maria Yakovleva, Alice Firenze, Irina Tsymbal, Eno Peci, Roman Lazik, Vladimir Shishov und Davide Dato.
Vorschau: Nurejew Gala 2016
Eingerahmt von Ausschnitten aus Manuel Legris’ erfolgreicher Inszenierung von „Le Corsaire“ findet man bei der Nurejew Gala 2016 am 26. Juni einiges an Neuem und Unbekanntem. Denn der Ballettchef nutzt diesen Abend nicht nur dafür, Gäste einzuladen, sondern auch die Choreografen der kommenden Saison vorzustellen. Von Daniel Proietto wird das Solo „Cygne“ von Ketevan Papava getanzt, Edwaard Liangs „Distant Cries“ werden Nina Poláková und Roman Lazik interpretieren. Die Solisten des Hamburg Balletts Hélène Bouchet und Carsten Jung zeigen ihr first-hand Verständnis der Choreografie von John Neumeier in einem Ausschnitt aus „Illusionen – wie Schwanensee“. Der Pas de deux aus „La fille mal gardée“ wird von den Étoiles der Pariser Oper Myriam Ould Braham und Mathias Heymann getanzt, mit dem Holzschuhtanz hat Andrey Kaydanovskiy ein Heimspiel. Heymann wird an diesem Abend auch in Nurejews „Manfred“-Choreografie zu sehen sein. Manuel Legris selbst tantzt mit Isabelle Guérin einen Aussschnitt aus „Le Parc“ von Angelin Preljocaj.
Die Tänzerinnen und Tänzer des Wiener Staatsballett sind auch in „Sentieri“ des Aterballetto-Tänzers Philippe Kratz und in „The Four Seasons“ von Jerome Robbin im Einsatz. Die Gala wird mit dem Trio Odalisque eröffnet, mit dem sich Prisca Zeisel vorerst von Wien verabschiedet. Sie wird in der nächsten Saison beim Bayerischen Staatsballett unter dem neuen Direktor Igor Zelensky tanzen. Natascha Mair und Anita Manolova ergänzen das Trio. Der 1. Akt aus „Le Corsaire“ beendet die dreiteilige Gala. Am Pult des Wiener Staatsopernorchesters steht Valery Ovsianikov.
Wiener Staatsballett in der Wiener Staatsoper: „Don Quixote“ am 5. Juni; „Van Manan | Ekman | Kylián“ am 7. Juni 2006. Weitere Vorstellungen in dieser Saison am 11. und 17. Juni 2016, Nurejew Gala 2016 am 26. Juni