Weder ist das „Taferlklassler-Dasein“ immer ein anregendes, noch sind Abc-Schützen ausnahmslos aufmerksam. In der Ballett-1x1-Schule von Direktor Jörg Weinöhl funktionierte es in der Studiobühnen-Klasse unter den beiden „Ober-Lehrern“, vulgo Ballettmeistern, gemeinsam mit ihren Junglehrern, vulgo corps de ballet und den Schülern, vulgo Publikum, allerdings geradezu vorzeigeklassenartig.
Der „Lehrstoff“, vulgo Untertitel, hört sich im Grunde ja nicht gerade berauschend an: „Die Ballettmeister stellen sich vor“. Aber bei professioneller „didaktischer“ Aufbereitung – die bei dieser Ausgabe der seit der Saison 2015/2016 laufenden Reihe besonders gut gelungen ist - entpuppt sich auch ein eher wenig beachtetes Thema nicht nur als faszinierend, sondern vor allem auch als wichtig. Und eben diese, die große Bedeutung der operativen Arbeit, die Ballettmeister leisten, sowie ihrer Position des Vertrauens – sowohl von Seiten des Choreographen als auch von der ihrer TänzerInnen – wurden einerseits durch die Moderation Jörg Weinöhls und durch seine Dialoge mit den Ballettmeistern (auch wenn diese teilweise akustisch ein wenig untergingen) und andererseits durch die gleichermaßen lebendige wie unaufgesetzte Trainings- und Proben-Vorführungen von Jaione Zabala und Bernd Burgmaier, eindrucksvoll bewusst: die mehrschichtige künstlerisch-technische Feinarbeit einerseits und die nie endende, tagtägliche Knochenarbeit andererseits nahmen auf diese Weise für die Zuseher nachvollziehbare Formen an. Ausgehend vom Basistraining an der Stange war in schrittweiser Aufbauarbeit die bewegungstechnische Erarbeitung bis zu Schrittfolgen und kleinen, szenischen Sequenzen zu erleben; wurde beispielhaft herausgearbeitet, wie viele Faktoren am Gelingen einer harmonischen Bewegung beteiligt und notwendig sind.
Da die Ballettmeister keine „Vorführstunde“ zeigten, sondern mit viel Realistik Einblick in ihre Arbeits- und Vorgangsweisen gewährten und weil die Tänzerinnen gleichermaßen den Mut und das Selbstbewusstsein wie auch die Offenheit aufbrachten , sich derart „ungeschminkt“, also mit ihren Fehlern und Problemen den Blicken des Publikums zu zeigen, nahm dieses nicht nur staunend, sondern vor allem auch mit großem Respekt für die Herausforderungen dieser Arbeit sowie berührt von deren vielschichtiger Intensität das Vorgeführte und Erlebte auf.
Keine Frage, dass Zuseher in diesem Rahmen von vornherein ein ernsthaftes Interesse an der vorgestellten und erörterten Kunstform haben; aber auch keine Frage, dass mit derartiger Aufbereitung und Einführung in einzelne Bereiche dieser Kunst-Sparte ein tieferer Einblick und größeres Verständnis sowie letztlich auch eine Zunahme an Interesse dafür in einem weiteren Kreis und/oder beim einzelnen erreicht wird.
Ballett der Oper Graz: "ABC des TANZES – Die Ballettmeister stellen sich vor" am 18.Mai 2016 auf der Studiobühne der Oper Graz