Tanztrunken. Der Plot ist herrlich einfach und einladend bodenständig gestrickt. Er braucht weder künstlichen Glanz noch heroischen Glamour. Als Zunder reicht ein irisch-unverständlicher Redeschwall. Leutselig, aus dem situativen Moment heraus, das landestypische Pint Guinness in der Hand, bringt Paddy Flynn – Besitzer einer urig-traditionsreichen Kneipe – die Show „Irish Celtic“ im Deutschen Theater ins Rollen.
Den Part des trinkfesten, an Anekdoten und Witzen nimmermüden Erzählers, der problemlos in ein akzentcharmantes Deutsch umschwenkt, verkörpert in München der gebürtige Engländer Jonathan Agar. Dabei steht ihm der gesellige Übermut gut zu Gesicht. Für günstig vorne am Rand platzierte schenkt er als Gastgeber erst mal eine Runde Hochprozentiges aus. Gemeinsam mit dem Publikum gilt es, auf einen rhythmusträchtig-lebensfrohen Abend anzustoßen: „Sláinte!“ (irisch für Prost) – und willkommen im Pub, der volkstümlichen Quelle irischen Lebens.
Vorbehalte und Befürchtungen sind schnell aus dem Weg geräumt. Innerhalb weniger Minuten wird man Teil der seit 2012 erfolgreich tourenden Idee, dass dieser Typ Paddy Flynn nicht nur seinen Laden schmeißen, sondern im Handumdrehen mit 16 ausgesuchten Tänzern und fünf in verschiedenen Stilen versierten Musikern – der bekannteste darunter: Pipe(Dudelsack)-Spieler Kieran Brady – auch noch gehörig Stimmung und jede Menge Atmosphäre in die Bude bringen kann.
Sein Geheimnis: Gib den Menschen, was sie sehen und hören wollen. Dazu zählen Evergreens des Irish Folk bzw. traditionelle Songs wie „Whiskey in a Jar“ oder „The Wild Rover“, vorgetragen von Daniel Byrne (Vocals, Gitarre). Kommt das Thema Unterdrückung an die Reihe, tanzen Männer in T-Shirts und Röcken zum Live-Soundtrack des Films „Braveheart“. Wiedererkennung ist die halbe Miete und spornt, ebenso wie das unermüdliche, beste Laune ausstrahlende Klackern der flinken Füße, Wippen der Knie, schnelle Überkreuzen der Beine und federleichte Hochspringen der Tänzer, zum Mitklatschen an. Begleitet von Knopfakkordeon (Danny McGuinness) und Fiddle (Geige: Kristan Harvey) bilden Paare das hoffnungsvolle Ambiente der legendären Auswanderer in schwungvollen Tänzen nach. Eine Reminiszenz an die Fest- und Feierstimmung im Bauch der Titanic.
Getanzt wir solo und im Set (sogenannten Square- bzw. Step-Formationen), am Boden, auf Fässern und dem Tresen. Seinen Höhepunkt aber erreicht das Battering (Step-Stampfen), als Paddy Flynn der Band eine Pause an der Bar gönnt und seinem eher linkisch daherkommenden Sohn – dem fußberedten Star an seiner Seite – einen Wettbewerb mit den schnieken Dubliner Jungs „aus der großen Stadt“ vorschlägt.
Innerhalb der allesamt wettkampferprobten und -ausgezeichneten Crew präsentiert Diarmuid Meade als einziger die alte irische Stepp-Tanzform des Sean-nós. Schon in der Eingangszene heizt er mit seiner Nummer des Brush Dance (Besentanz) den Céilí – also die Tanzgesellschaft der übrigen Pub-Gäste – mühelos an, indem er seine Beine wendig-locker aus der Hüfte heraus und mit sich steigerndem Tempo über den Holzstiel schwenkt. Vier Tänzer mit stählernem Rücken und rhythmischem Feingefühl in Schuhspitzen und Fersen halten dagegen. Das ist grandios. Auch weil der Clash der unterschiedlichen Stile die anderswo unter einen Teppich von Mystik gekehrte Palette irischer Tanzformen offen legt. Ohne viel Brimborium. Mitreißend und lebensnah.
„Irish Celtic – Spirit of Ireland“ am 26. April 2016 und noch bis 1. Mai im Deutschen Theater