Energieschub für Frühjahrsmüde. Nicht der Kaffee putscht in „Smokey Hugs and Cappuccino“ auf. Vielmehr wirkt die anhaltende Power der Performer belebend. Mit ihrer comic-haften Persiflage zum Thema „Umarmungen“ besetzt die Choreografin Gisela Heredia in der ernsthaften Wiener Tanzszene eine „Marktnische“: Ihre Performance ist frisch, frech, offensiv und wird von vier Tänzerinnen und einem Tänzer mit großer Spiellust interpretiert.
So viel wurde im Theater schon lange nicht mehr geraucht. Gleich zu Beginn wird das Publikum mit Zigarettenrauch empfangen, immer wieder werden die Performer sich während der Vorstellung im Hintergrund eine anzünden. Auch der Cappuccino findet in Form von Kaffeetassen gleich im Eröffnungsbild seinen Niederschlag. Er passt nicht wirklich zum Thema der Umarmungen, aber wohl zum Rauchen.
Gisela Heredia setzt auf Übertreibung. Wenn eine Einsame nach Liebe lechzt, dann wird daraus ein kabarettartig überzeichnetes Drama: da wird gewürgt, geschluchzt und gewimmert, kokett und Mitleid heischend ins Publikum geblickt und der Mund verzogen – gleich wird sie losheulen, doch nein, sie schreit ihren Frust lediglich heraus – bis sich am Ende doch eine erbarmt und sie in die Arme schließt. Oder die komplexe Zubereitung des Cappuccino-Schaums wird in einem Turbo-Sprech auf Italienisch lustvoll minutenlang abgehandelt. Oder es werden neue Formen der Zärtlichkeit erfunden: der Catkiss etwa, der dann in verschiedenen Varianten bei den Kolleginnen und beim Kollegen erprobt wird, bei zweien in einer aufgeladene Schmuserei mündet, bei anderen eine lästige Schleckerei wird. Schließlich gibt es auch jene, die nicht gerne die raue Haut eines anderen berührt und ihrem Ekel nachdrücklich Luft macht. Eine andere bezeichnet sich als „a hand shaker“ und setzt lieber auf Distanz. Oder jene, die sich partout nicht abwimmeln lassen will und wie ein Äffchen klammert …
Für die Argentinierin Heredia ist der Tango der Inbegriff der Umarmung. Immer wieder gleiten die Performer in Tangoschritte hinein, klingt in der Soundcollage die entsprechende Musik an, bis sie schließlich Raum bekommt für einen Paartanz von Anna Possarnig und Adrian Dorfmeister. Die Liebeserklärung an diesen Tanz, den die Performerinnen leise ins Mikrophon sprechen, fällt in dieser Performance aus dem Rahmen, die das Thema zwischen Annäherung, Abstand und Beziehungen in rasantem Tempo ohne psychologischen Tiefgang abhandelt.
In den Darstellerinnen Elda Gallo und Jerca Ročnik Novak hat die Choreografin Meisterinnen des exaltierten Outrierens gefunden, die ihr melodramatisches (Über-)Agieren mit großer Selbstverständlichkeit ausführen, mit ihrer Körpersprache und Mimik gleich einen Charakter kreieren, und ihn einer liebenswerten Lächerlichkeit preisgeben. Mit ihrem trockenem Humor setzt Cäcilia Färber dazu einen treffenden Kontrapunkt.
Dass die fünf auch als Tanzensemble gute Figur machen, beweisen sie mit einem Gruppentanz am Ende der Performance, für den sie noch einmal ihr Reservoir an Energien mobilisieren. Der begeisterte Applaus wirkt da wie eine Karthasis-Entladung des Publikums. Wie auch immer, die Performer haben ihn in jedem Fall verdient.
Gisela Heredia / tanz.coop „Smokey Hugs and Cappuccino“ am 16. April 2016 im KosmosTheater Wien. (Premiere am 8. April 2016)