Bühne frei für die Youngsters. Sie sind die Zukunft! Studenten der Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater München sprengten bei den Münchner BallettFestwochen den Rahmen gewöhnlicher, von Konstanze Vernon initiierten sogenannten Heinz-Bosl-Matineen. Aufgrund des hohen Kindereinsatzes sowohl in „Paquita“ als auch in „Le Corsaire“ hatte man das Auftreten der jüngeren Schüler diesmal zugunsten der älteren Jahrgänge von vorneherein ausgeklammert.
Statt süßer Ballettfratzen oder einem Querschnitt durch die Ausbildungsklassen warteten Noch-Staatsballettchef Ivan Liška und Akademiechef Jan Broeckx, der sich seit sechs Jahren für den Tanznachwuchs in Bayern einsetzt, mit galaverdächtigem Programm auf.
Der Anlass: die erstmalige Teilnahme am international wichtigen Youth America Grand Prix. Für das in zwei Wochen anstehende New Yorker Finale hatte Sarah Schäfer sich in Paris mit einem 1. Platz qualifiziert. Nun begeisterte sie mit Gal Trobentar Zagar (der seinen Part bei der Wiederholungsvorstellung am 17. April Philip Hedges überlässt) in einem Pas de deux von Kirill Melnikov. Der sportiv-romantische „Flashback“ auf eine Mann-Frau-Beziehung zu Musik von Glasunow stimmte auf die weiteren, ganz klassisch gehaltenen Wettbewerbsbeiträge ein.
Carollina de Souza Bastos, sonst eher lodernd in ihrem Temperament, vereinnahmte die große Nationaltheater-Bühne mit einer sauber-kontrollierten Raymonda-Variation. Gefolgt von der zierlichen Rina Nishiuchi, die ihr Spitzen-Solo des schwarzen Schwans dermaßen selbstverständlich-virtuos und charmant lächeln dahintuschte, als läge kaum ein Schwierigkeitsgrad darin. Den Vogel an Interpretationsreife aber schossen Bianca Gomes Vilarinho Teixeira und Stanislaw Wegrzyn mit ihrem frech und blickpointiert dargebrachten Pas de deux aus Petipas „Satanella“ ab. Chapeau vor diesem Teenager-Leistungsniveau!
Doch bei Broeckx und seinem Dozentenstab bleibt auch der Spaß am Tanz wichtig. Heinz Manniegel, der zu Konstanze Vernons Zeiten 1982 als Professor zur Ballett-Akademie stieß, erarbeitete 1999 (damals noch unter dem Titel „Tanz-Skizzen“) eine von traditioneller Klezmermusik (Giora Feldmann/Itzhak Perlmann) getragene Abfolge bewegungsfreudiger Tänze für Gruppe und kleine Soloparts. Sein 80. Geburtstag in diesem Jahr gab den Anstoß, „Lomir Tanzn“ in erweiterter Fassung wieder auszugraben. Ein Fest der Ausgelassenheit, dem Momente von Melancholie menschliche Erdung verleihen.
Zwei neue Werke rundeten den Vormittag ab, den die Junior Company (Ivan Liškas künftiges Wirkungssegment) klar und ausdrucksvoll mit Balanchines „Allegro Brillante“ eröffnete. Das strahlende Hauptpaar Isidora Marković und Flemming Puthenpurayil hat schon Folgeverträge – für die Staatstheater in Nürnberg und Stuttgart. Gemeinsam mit vier ihrer Kollegen zeigten sie in Maria Barrios’ „Three Loves“ viel Seele. Wie bei dieser israelischen Choreografin der Sound brandender Wellen auf Klavierklänge von Rachmaninoff trifft, so schlagen auch die Emotionen zwischen den Partnern dreier Paare ihre Wogen. Zweifelsohne ein guter Zuwachs für das im fünften Jahr stilistisch breit aufgestellte Repertoire des Bayerischen Staatsballetts II.
In „The Passenger“ können die Tänzer sich mit anderen Jungensembles messen. Am ersten Abend (15. April) ergänzt die junge Formation DanceWorks Chicago Simone Sandronis Generationen überspannende Kreation, in deren Mittelpunkt Ivan Liška, Peter Jolesch und Kammertänzerin Judith Turos stehen. Am 18. April werden Junioren des Het Nationale Ballet Amsterdam den zweiten Vorstellungsteil gestalten, der am 16. April für Münchens Youngsters reserviert ist.
Egal wie der Vergleich ausgeht: Ein nicht zu unterschätzender Faktor liegt in der Qualität der Stücke. Und über die entscheidet mit seinem Applaus auch das Publikum. „Unleashed“ – Kinsun Changs zweite, zeitgenössisch-moderne Uraufführung für die Akadmie-Studenten – überzeugte mit agiler Frauenpower. Die Männer dagegen spannte der Schweiz-Kanadier an Seile. Auch optisch kam das sehr gut an.
Ballett-Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung am 10. April 2016 im Münchner Nationaltheater, nächste Vorstellung am 17. April
BallettFestwochen-Uraufführung: „The Passenger“ am 15. April im Prinzregententheater. Weitere Termine: 16. und 18. April