Auf der ersten Station ihrer Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg, präsentierte das Künstlerkollektiv Superamas: „War and Terror“ im Tanzquartier Wien. Die Anschläge von Paris am 13. November erlebten dessen Mitglieder quasi hautnah. An diesem Tag waren sie auf der Durchreise für Arbeiten zu ihrem neuen Projekt „Vive l’armée“. Dieses wird nun als dritte Station Ende November 2016 zu sehen sein.
„Man muss genau hinschauen“, sagen Suparamas, nämlich was die Anschläge und vor allem die (politischen) Reaktionen darauf bedeuten. Keine Frage, das braucht Zeit und mehrere Anläufe. Bereits im ersten Teil der Trilogie, die als „Preview and Impressions“ untertitelt war, fördern sie Aspekte zu Tage, die in der Hysterie des politischen Tagesgeschehen von Panik und Populismus überschrieben werden. In ihrer philosophisch-performativen Analyse vereinen Superamas emotionale Betroffenheit und distanzierte Denkansätze: im Tanz, im Film und im Gespräch zeigten sie Versatzsstücke eines Entstehungsprozesses.
Im Film. Wenn die Schüler zweier französischer Gymnasien „We are here because we are here“ im Turnsaal proben, ist ihr Gesichtsausdruck noch unbeteiligt oder verlegen. Wenn sie dann aber dasselbe Lied auf einem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs und schließlich als geballter Chor wiederholen, kriecht beim Zuschauer die Gänsehaut hoch.
In seinem Referat thematisiert der Historiker Jacques Pauwels den „Mythos vom guten Krieg“ (so der Titel seines Buches über die Rolle der USA im Zweiten Weltkrieg), die dahinter stehenden Interessen und Zielsetzungen und offenbart eine neue Perspektive auf kriegerische Umtriebe einst und jetzt. Diese wird mit Ausschnitten aus Stanley Kubricks Antikriegsepos „Path of Glory“ illustriert, etwa mit der Kamerafahrt durch endlose Schützengräben.
Auf der Bühne. Die Performance beginnt mit Strawinskis „Sacre du printemps“, zu dem die vier Performer eine Art Stammesritual tanzen. Der Musiktheoretiker und Dirigent Paul Collaer erinnerte sich des Stücks im Moment größter Angst, nämlich im Schützengraben. „Die komplette rhythmische Freiheit“, die er dem Werk in seinem Text attestiert, wird bei Superamas abrupt von regelmäßigen Technobeats abgelöst, zu denen es sich auch trefflich marschieren lässt – ein kurzer Einblick in die spannungsreichen Verflechtungen von Rhythmik und Militarismus.
Der letzte Teil des Abends ist der Eliteeinheit Cobra der österreichischen Bundespolizei gewidmet. Auf der Bühne eine Geiselnahme während einer Modenschau, auf der Leinwand ein Werbespot der Cobra, gefolgt von einem live Gespräch mit dessen Sprecher Detlef Polay über seinen Job, Gewissensfragen und Karrierechancen. Auch das Publikum darf bei diesem im TV-Stil gehaltenen Interview Fragen stellen, die Polay mit entwaffnender Offenheit beantwortet. Ein Ziat von Giorgio Agamben über das Verhältnis von Angst und Staat beschließt den Abend.
Food for thought. In „War and Terror“ wählten Superamas faszinierende Quellen, interessante Film- und Bühnenkonstellationen und einen fesselnden Mix aus engagierter Ernsthaftigkeit und schwungvoller Dramaturgie, die den Zuschauer involviert ohne das Thema zu verharmlosen. Wie hier gesellschaftspolitische Hintergründe mit ästhetischen Mitteln auf wissenschaftlicher Grundlage beleuchtet werden, das ist zur Zeit wohl: Art at its best.
Superamas: "War and Terror. Prview and Impressions" am 26. Februar 2016 im Tanzquartier Wien.
Nächste Stationen: „Why? 100 years of war“ am 29. April im brut Wien; „Vivel’Armée“ von 24. Bis 26. November 2016 im TQW