DJ Boris Kopeinig gibt den Ton an im neuesten Stück von Doris Uhlich. Mit seinen Techno-Samplings setzt er nicht nur das Ensemble der „Boom Bodies“ mit acht internationalen Tänzern und Tänzerinnen in einen energetischen Ausnahmezustand, sondern auch das Publikum in Schwingungen. Zumindest für die ersten zwanzig Minuten. Danach kehrt sich das Vergnügen ins Gegenteil um.
Denn (gemessene) 95 Dezibel sind auf Dauer eher Energie abtötend als anturnend, besonders wenn man als Zuschauer wenig Möglichkeit zum physischen Ableiten hat, sondern auf seinem Sessel pickt. Dann wird der geloopte Sound zunehmend beklemmend. („Sonic Warfare, Sound, Affect, and the Ecology of Fear“ lautet der Titel des Buches, aus dem im Programmheft zitiert wird. Sollte die „sonic warfare“ programmatisch für „Boom Bodies“ sein?)
Ähnlich wie beim Techno-Sound werden bei der „Energieausschüttung“ auf der Bühne die Bewegungen gesampelt und wiederholt. Für die Tänzer sind die Bewegungsloops, die sie 70 Minuten lang auf gleichbleibend hohen Energieniveau umsetzen, eine Tour de Force. Die Matrix ist einfach: ein Tänzer initiiert einen Move, die anderen folgen ihm, übernehmen die Bewegung oder wandeln sie ab.
Nur einmal kehrt so etwas wie Ruhe ein, dann sitzen die Tänzer regungslos auf dem Boden, der hell erleuchtete Bühnenraum verdunkelt sich, doch gleich versuchen sie wieder, diesmal in einem Gruppen-Cluster, ihre schier unerschöpfliche Dynamik mit aller Kraft ins Publikum zu schmeißen. Eine fiktive Mauer wird mittels Bändern gebaut, gegen die die Menschen mit aller Wucht anrennen und wieder zurückgeworfen werden – ja, es geht in diesem Stück auch um die Grenzen, die in Europa gerade überall errichtet werden. Im Szenario des aggressiv hämmernden Techno-Rhythmus werden die „Boom Bodies“ zunehmend zum bedrohlichen Gruppenkörper. Wollte Doris Uhlich wirklich diese Message senden?
Doris Uhlich: „Boom Bodies“, Uraufführung am 28. Jänner 2016 im Tanzquartier Wien, letzte Vorstellung am 30. Jänner