International bewährt und in Graz über Jahre im Rahmen der Tanz Nites erprobt, bietet auch der neue Opernhaus-Ballettdirektor Jörg Weinöhl seinen TänzerInnen die Möglichkeit, sich als Choreographen zu versuchen. Dabei werden von ihm ausnahmslos alle Mitglieder des Ensembles in diese Rolle geholt – zwei abendfüllende, dichte Programme waren das Ergebnis.
Der Mehrwert bei Weinöhls konsequenter Vorgangsweise der Einbeziehung aller in wechselnden Rollen was die TänzerInnen betrifft - bzw. in eine ebenfalls andere als die alltagsberufliche, wie dies für die gleichermaßen ins Programm einbezogenen zwei BallettmeisterInnen sowie für die der Repetitorin gilt - , ist ein mehrfacher: Die außergewöhnliche Herausforderung an jeden einzelnen bindet diesen grundsätzlich fester an das für viele von ihnen neue Haus; das Miteinander in ungewohnter Konstellation und Abhängigkeit lässt schnell Verbindung unter den neu zusammengesetzten Ensemblemitgliedern entstehen, sie zu einem Team werden, was hiermit und klugerweise gleich zu Beginn der ersten gemeinsamen Saison geschieht. Und schließlich wurden die großteils neuen TänzerInnen derart, im „intimen Rahmen“ der Studiobühne, den Zusehern eindringlich nahegebracht: individuell und abwechslungsreich in Kurz-Präsentationen von jeweils gut fünf Minuten; eine Form, die überdies dem Zeitgeschmack im Sinne eines quantitativ großen Angebots entgegenkommt.
Vorgegeben von Weinöhl war das Thema „Ich habe einen Traum“, die Umsetzung völlig offen und entsprechend differenziert die Ergebnisse und selbstverständlich auch in ihrer Qualität.
So manchem Zuseher in ihrer Nachvollziehbarkeit sehr willkommen: einige relativ traditionell erzählende, bebildernd getanzte Umsetzungen des Themas. Es gab aber auch Spartenübergreifendes: etwa die alle Sinne ansprechende Aktion Jaione Zabalas (Ballettmeisterin), die poetisch-affirmative Arbeit mit Text und Tanz von Joao Pedro de Paula und die politisch verankerte, hochaktuelle Frederico Oliveiras: „…ich weiß, dass das eine belastende Situation ist, aber, aber, aber…“.
Oder aber gänzlich anderes: So zeigte der Tänzer Maximilian Genov eine amüsant-witzige Video-Animation von Choreographien mit Gummibärchen und dergleichen; oder Ballettmeister Bernd Burgmaier Fotos, die die Unschärfe von Träumen basierend auf Bewegung, als Farbkompositionen bildnerisch umsetzen.
Als Tänzerin-Choreographinnen besonders zu erwähnen sind zwei ebenso unterschiedliche wie überzeugende, jeweils sehr eigenständig/eigenwillig auftretende KünstlerInnen: Clara Pascual Marti und Bruna Diniz Alfons. Last not least ist Dianne Gray zu nennen, die mit ihrem Solo/Duo (mit Alberto Cissello), einem homogenen Zusammenspiel von Grazie und Intellekt, Technik und Humor einen der Höhepunkte der Programmabfolge bot.
Von bizarrer Eigenwilligkeit ist der Bewegungsfluss der dreier-Konstellation in der Choreographie von Dylan Hoskins, faszinierend die Mischung der Stile und damit der Möglichkeiten in der Arbeit Fabio Toraldos und begeisternd schließlich die abstrakte Dynamik von Überraschungsmomenten in Arthur Haas‘ tänzerischer Hypothese.
Jörg Weinöhl blieb an beiden Abenden, abgesehen von dem aus seiner großen Choreographie „Der Liebe Schlaf“ gezeigten, gelungenem Duo, diskret im Hintergrund; wohl ebenso zurückhaltend scheint seine Begleitung der KünstlerInnen bei der jeweiligen Erarbeitung gewesen zu sein , die vor allem in der einen oder anderen Frage zu Details bestand, wie im persönlichen Gespräch von ihm zu erfahren war.
Ballett der Oper Graz: „Ich habe einen Traum“ am 3. & 4. Dezember 2015 auf der Studiobühne