Mit einer zauberhaften Idee bringt Jean Renshaw eine bisher vergessene Barockkomödie auf die Bühne der Kammeroper, dem kleinen Opernhaus des Theater an der Wien. Sie lässt in Florian Leopold Gassmanns Dramma giocoso „Die Vogelfänger“ einen Vogel mitspielen. Martin Dvorák tanzt als Gast des „Jungen Ensembles des Theater an der Wien" un uccello, ausdrucksstark und fürwitzig.
Der Komponist Florian Leopold Gassmann (1729–1774) war ein in Venedig und Wien angesehener Komponist und Lehrer Antonio Salieris. Die Opera buffa „Gli Uccellatori“ hat er mit 30 Jahren für eine Aufführung während des Karnevals von Venedig komponiert und 10 Jahre danach für Wien umgearbeitet. Das Manuskript befindet sich in der Musiksammlung der ÖNB und im Rahmen des Forschungsprojektes „Opera buffa in Wien“ (Wiener Instituts für Musikwissenschaft) auf die Notenpulte des Bach Consort, am Cembalo geleitet von Stefan Gottfried, gelegt worden.
Eine Trouvaille, leicht, locker, lustig.
Das liegt einerseits an der poetisch-witzigen Ausstattung (Bühne und Kostüme) von Christof Cremer und ebenso an der humorvollen ganz auf Bewegung setzenden Inszenierung der Engländerin Jean Renshaw, die als Choreografin und ehemalige Tänzerin die winzige, von Cremer barockbunt bemalte Bühne der Kammeroper bestens nutzt, ohne dass die in nahezu ununterbrochener Aktion befindlichen AkteurInnen einander auf de Füße treten. Und wenn die Klappe der Behausung des Vogels dem geizigen Marchese auf die Zehen fällt, dann ist das Absicht. Gesungen wird vom jungen Ensemble des Theater an der Wien mit Animo und zur Freude des Publikums. Drei Vogelfänger (Tobias Greenhalgh als umschwärmter Cecco, Christoph Seidl als eingebildeter aber rundum verschmähter Frauenliebling, Julian Henao Gonzales als schüchterner Toniolo, der glücklich ist, die Übrigggebliebene zu bekommen) suchen ein Eheweib. Zwei bekommen sie, der dritte, der sich schon stolzgeschwellt in seinen roten Schuhen als Sieger wähnte, bleibt übrig.
Es geht also weniger um Vögel, auch wenn diese sogar in der Musik tirillieren und zwitschern, sondern um die Liebe. Und die, das wissen wir, hat ja bunte Flügel, flattert von einer zu anderen und meist gar nicht dahin, wo sie sehnlich erwartet wird. Am hübschesten aber flattert der tschechische Tänzer Martin Dvorák über durch Wald und Flur. Dvorák hat viele Jahre im Ensemble des Choreografen Jochen Ulrich († 2012) in Innsbruck und Linz gearbeitet, tanzt, choreografiert jetzt als freischaffender Künstler und leitet seine eigene Company ProArt und das ProArt Festival für Tanz, Schauspiel, Gesang und Fotografie in Prag. Auch in der Arbeit mit Renshaw durfte er seine Rolle frei erfinden und nutzte sowohl seine tänzerischen wie seine darstellerischen Talente. Der Vogel im weißen Tütü ist die Seele des Spiels, sieht alles, weiß alles, kommentiert und persifliert, ironisiert, leidet mit den vergeblich Liebenden, warnt die Eifersüchtigen vor bösen Vorhaben, stupst die Zaudernden, damit sie endlich handeln und bleibt doch Vogel, der die Augen rollt, weil er die Gedanken und Taten der Menschenkinder, von oben betrachtet, ziemlich sonderbar findet.
Den drei Uccellatori entgegen tänzeln drei Damen: Die noble Contessa Armelinda, die hinter dem allseits begehrten Cecco her ist (Viktorija Bakan) und zwei Landmädchen (Natalia Kawalek, Frederikke Kampmann), die denselben im Sinn haben und sich deshalb die Augen auskratzen möchten. Ein verliebter Marchese (Vladimir Dmitruk) möchte den vermeintlichen Rivalen Cecco ermorden lassen, aber nicht bezahlen. Doch der Uccellattore hat ohnehin kein Interesse an der adeligen Armelinda, die als Kopfputz ein Nest mit den goldenen Vogeleiern trägt und wie ihre beiden Konkurrentinnen im Federgewand steckt.
Weil das Libretto von Carlo Goldoni stammt ist auch der gereimte Text ein Vergnügen. Der SängerInnen flüssiger Italienisch-Gesang ist im kleinen Theater gut zu verstehen, sodass der Wortwitz des Dichters nicht zu kurz kommt. Auf der digitalen Anzeigetafel kann die Übersetzung mitgelesen werden. Kann sein, dass der Vogel auch den deus ex machina nachahmt, denn nach der geschwindelten Gerichtsverhandlung, setzt er Füße und Flügel ein, damit sich alles ganz schnell unter anmutigem Geflatter und zärtlichem Gezwitscher in Wohlgefallen auflöst. Die Contessa nimmt nolens volens den geizigen Marchese (Vladimir Dmitruk), die beiden Mädchen teilen Cecco und Toniolo unter sich auf, der Vogel wischt sich den Schweiß von der Stirn und wagt ein letztes Tänzchen. Das Publikum zieht nach heftigem Applaus zufrieden von dannen.
Florian Leopold Gassmann: „Gli Uccellatori“, Libretto nach Carlo Goldoni, in italienischer Sprache. Gesehen am 28. März 2015. Kammeroper / Theater an der Wien.
Weitere Vorstellungen: 1., 8., 10., 14. April, 19 Uhr; 12. April, 16 Uhr.