Was wie eine Aufforderung klingt, "Steigen Sie in den Zug", ist eine lakonische Feststellung. Wir sitzen schon drinnen im Online-Zug, kleben am Bildschirm, unterhalten uns virtuell, schweben im Cyberspace. Regisseur und — gemeinsam mit Michaela Wolf — Autor des Theaterprojekts "Enter Train", wirft einen unterhaltsamen Blick auf die Welt der Neuen (social) Medien, in der wir nolens volens leben.
Facebook und Youtube, Chattroom und die Suche nach dem Superstar. Kaum jemand kann sich heraus halten, doch wer nicht zurecht kommt mit diesen gar nicht mehr so neuen Medien, bleibt am Rand liegen, geht unter, lebt bald nicht mehr. Die Gescheiterten begegnen uns zuerst in der riesigen Expedithalle der ehemaligen Ankerbrotfabrik, deren Areal im 10. Wiener Bezirk zu einem Kunst- und Kulturzentrum gewachsen ist. Sonderbare Gestalten sind es die in der Multimediainstallation ihre Zellen bezogen haben, tanzen, kämpfen, singen oder lallen, um sich und das Publikum zu erinnern, woran sie gescheitert sind. Es sind Zombies, die den Ansprüchen, die meisten Likes auf youtube, die längste Freundesliste bei Facebook, den größten Erfolg im Second Life zu bekommen, nicht gewachsen waren. Sie haben ihre Sprache verloren, sind verblutet, am Spitzenschuh erstickt, haben sich zu Tode getanzt. Hinter dem Musselinvorhang, geheimnisvoll angeleuchtet und von der Videokamera verdoppelt treiben sie ihr (Un)Wesen. Die Zuschauer wandern von einer Station zur anderen und kehren wieder zu der zurück, sind fasziniert und nachdenklich.
Ein großartiger Beginn des mit mit 23 Darstellern aus Österreich, Türkei, Iran, Korea und Deutschland erarbeiteten Abends. Danach wird geredet, lang und redundant. Liebespaare aus dem Chat, die einander nicht zuhören, selbstbezogen nur von den eigenen Problemen quasseln (von den Leiden der Migranten bis zur Einsamkeit im Alter), Zwei, die einander nie wirklich gesehen, berührt, geliebt haben. Alle sehnen sie sich nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Zuwendung und finden nur hohles Geplapper im weltweiten Netz. Die Botschaft versteht man sofort und bald langweilen die Monologe im Duo. Entbehrlich sind sich die Zwischenakte mit Bewegungsübungen, bevor das nächste Paar in sein Geviert steigt, um dem Gegenüber nicht zuzuhören oder sich nach eingehender Prüfung doch gegen ein Tête à Tête mit Hautkontakt zu entscheiden. Der Touchscreen hat gewonnen. Manchmal wirft die Videokamera ein Doppelbild der voneinander entfernt plappernden Paare an die rohe Ziegelwand. So könnte es sein. War es einmal so?
Achtung, die offene Theater-Collage "Enter Train" stellt Fragen, gibt jedoch keine Antworten, ist abwechslungsreich, unterhaltsam, hintergründig, macht aber zu viele Worte.
Enter Train (Durmus Dogan / Michaela Wolf), gesehen am 24. Oktober 2014, ehem. Ankerbrotfabrik, Puchsbaumgasse 1c, 1100 Wien.
Noch eine Vorstellung am 26. Oktober.