fragt Lloyd Newson, Chef und Choreograf der britischen Truppe DV8 Physical Theatre, in seinem neuesten Stück. „Ja, aber nicht so“, möchte man antworten. Denn Newson ist in seiner Aufarbeitung über Tabus in unserer Gesellschaft beim Islam hängen geblieben und in die propagandistische Falle getappt.
Ausgangspunkt war das Vorgängerstück der Compagnie, „To Be Straight With You“, das die Einstellung von Religion zur Homosexualität untersuchte sowie eine Umfrage von 500 Muslimen, die alle sagten, dass Homosexualität für sie nicht akzeptabel wäre.
Nun hat Lloyd Newson 40 Interviews mit Betroffenen, Politikern und Vertretern von Interessensgemeinschaft geführt, nicht nur über Homosexualität, sondern über ihre Erfahrungen mit dem oder ihre Ansichten über den Islam. Diese Interviews, ergänzt durch Zeitungsberichte und TV-Coverage, sind Inhalt von „Can We Talk About This“, und – wer hätte anderes erwartet – belegen wieder einmal, dass der Islam (oder sind es doch die Islamisten? oder einige Muslime?) unsere liberale Gesellschaft über den Haufen werfen will, jeden, der nicht im Sinne der von den Mullahs vertretenen Koran-Lesart handelt, umbringen will und die Weltherrschaft anstrebt. Die Tatsachen unterstützen die Theorie: der Mord am niederländischen Filmemacher Theo van Gogh, die Fatwa, die 1988 über Salman Rushdie verhängt wurde und der bis heute unter Polizeischutz steht, der Aufruhr, die Todesdrohungen und Morde im Zuge der dänischen Mohammed-Karikaturen und die Unzahl der namenlosen Frauen, die ebenfalls unter Polizeischutz stehen, weil sie sich einer Zwangsverheiratung entzogen haben. Die Angriffe auf Menschenrechte und Presse- und Meinungsfreiheit im Namen des Koran sind unumstritten, die Antworten darauf ebenso. Auch nach den katastrophalen Terror-Akten von 9/11, von London und Madrid ist es zu keinem fruchtbaren Dialog zwischen Muslimen und dem Rest der Welt gekommen.
Warum? Lloyd Newson meint, weil die liberale Welt aufgrund von Toleranz und kolonialer Schuldgefühle nicht Manns genug ist, ihren Standpunkt zu vertreten und ihre Werte zu verteidigen. Die Politik des Appeasement bringt uns nicht weiter, das hat auch schon der deutsche Publizist Henryk M. Broder in seinem Buch „Hurra, wir kapitulieren!“ ausführlich dargelegt.
Was wir aber bei „Can We Talk About This“ erleben, ist eine verkörperte Anschuldigungstirade gegen den Islam (oder doch nur gegen die Islamisten? oder einige Muslime?). Die Aussagen von Islamisten, Opfer und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens scheinen zu beweisen, dass, auf welcher Seite man auch stehen mag, mit dem Islam nicht zu scherzen ist. Die tänzerischen Aktionen und Gesten, in die die Monologe, manchmal auch Dialoge, verpackt sind, können die Worte nicht überdecken. Die Sprache dominiert und die Message kommt eindeutig über die Rampe und die ist tendenziös. Ich fühle mich manipuliert, indoktriniert, denn es werden keine Fragen aufgeworfen, sondern nur Antworten gegeben.
Hierzulande, wo Rassismus und Xenophobie, wenn überhaupt, dann höchstens als Kavaliersdelikte gehandelt werden, wo „political correctness“ nur etwas für Weicheier ist, ist diese Inszenierung beinahe unerträglich. Denn in der eleganten Verpackung aus bewegtem Text steckt dieselbe perfide und perfekte Übereinstimmung von Inhalt und Form, mit denen Politiker wie HC Strache oder Geert Wilders – mit weit primitiveren Parolen freilich – auf Stimmenfang gehen. Und in beiden Fällen kann der Betrachter/Wähler nicht in die Diskussion einsteigen. Denn die Politiker sind fern und die Bühne ist fein säuberlich vom Zuschauerraum getrennt.
In Großbritannien liegen die Dinge etwas anders, denn die streng gehandelte „political correctness“ hat das Gespräch über „minorities“ aller Art nahezu aus der öffentlichen Debatte verbannt. Außerdem hat diese Politik de facto zu Parallelgesellschaften geführt – so gibt es etwa 85 Councils - das sind gemeinnützige, öffentliche Einrichtungen - im Land, die nach den Gesetzen der Sharia handeln. Aber: die National Front, die mit unserer FPÖ vergleichbar ist, ist ein kleines Minderheitenprogramm geblieben (übrigens ebenso wie Parteien der extremen Rechten in Deutschland). Also kann man Newson zugute halten, dass er den politischen Hetzreden der rechten Herren (und Damen) nicht täglich ausgesetzt ist und daher mit seinem Versuch, tatsächlich eine Diskussion in Gang setzen will. Nur, die Art und Weise, wie er das versucht, ist höchst fragwürdig.
Der Zuschauer, der unter lautem Protest, "Scheiße"-rufend den Sall verlässt, ist inszeniert. Einige Zuseher verlassen schweigend das Theater (nicht inszeniert), doch am Ende ist der Applaus in der Halle E des Museumsquartiers lange, fast feierlich. Das irritiert. Und man hofft, dass er nicht der Message des Stücks, sondern den großartigen TänzerInnen der multi-ethnischen Compagnie gilt, die diese Texte bei vollem Körpereinsatz verinnerlicht haben.
Die Londoner Veranstalter haben sich offensichtlich nicht um die Produktion gerissen, denn zur Zeit stehen in Großbritannien nur Leeds, Coventry und Brighton auf dem Tourneekalender. „The 2012 tour, which includes London and other international/UK venues, will be announced in Autumn 2011“, steht lapidar auf der Homepage der Truppe.
DV8 Physical Theatre „Can We Talk About This?“, Tanzquartier Wien in Halle E Museumsquartier am 22. Oktober 2011