Alexander Ekman wird vor allem im hohen Norden als choreografischer Nachwuchsstar gefeiert, seit letztem Jahr ist er Residenz-Choreograf beim Nederlands Dans Theater II. Seine Stücke, die kürzlich bei den Tanztagen Linz und nun in St. Pölten zu sehen waren, hinterlassen jedoch durchaus zwiespältige Eindrücke.
Der ehemaliger Tänzer (Stockholmer Oper, Nederlands Dans Theater II, Cullberg Ballet) bewundert offensichtlich William Forsythe und bedient sich seiner choreografischen Methoden. In „Ekman’s Tryptich – A Study of Entertainment“, seiner ersten abendfüllenden Arbeit (2009), wird gekreischt, wild mit Bühnenmobiliar und Requisiten hantiert, zwischendurch wird auch mal getanzt und sogar eine Installation gibt es. Doch während bei Forsythe immer mehrere Ebenen ineinandergreifen, dringt Ekman nicht in tiefere Schichten vor.
Das renommierte Cullberg Ballet, unter der Leitung von Birgit Cullberg und Mats Ek einst Meilenstein der europäischen Tanzentwicklung, begibt sich mit „Ekman’s Tryptich – A Study of Entertainment“ jedenfalls auf ausgetretene Pfade.
Ekman will in seiner dreiteiligen „Studie“ laut Programmheft Unterhaltung zwischen Kunst und Kommerz untersuchen. Im ersten Teil sucht eine Regisseurin verzweifelt nach dem zündenden Funken für ihre Show. Sie zitiert Akteure auf die Bühne, lässt sie gehen, stoppen, Kopfstand machen und verwirft alles gleich im nächsten Moment. Als sich eine Gestalt im weißen Anzug und Zylinder, die zuvor auf einem Kamerakran über der Bühne thronte, ins Geschehen einmischt, wird es bunter: die Mädchen kommen mit goldenen Glitzerkleider auf die Bühne, die Herren tragen blaue Uniformen, alle tanzen ein Musicaltänzchen. Videoeinspielungen mit Begriffen, die laut Ekman für Entertainment stehen, mit Bildern aus Charlie Chaplin Filmen, einer Küsschen-werfende Marylin Monroe, Varieté-Szenen, einer Ballerina und Clowns - alles aus der Entertainmentkiste der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - werden auf die als Bühnenbild fungierenden, sich immer wieder hebenden und senkenden Lamellenvorhänge geworfen. Die Bilderflut wird vom hysterischen Geplapper der Regisseurin und der Gestalt in Weiß begleitet und das Ganze steigert sich zu einer schrillen, überbordenden, aber doch läppischen Klamauk-Nummer. Nachdem sie sich rote Nasen aufgesteckt haben, begeben sich die TänzerInnen in den Zuschauerraum, stellen sich vor einen Zuschauer und starren ihn minutenlang an.
Der zweite Teil findet in der Pause statt. Im Pausenfoyer ist eine Installation mit Schaukästen aufgebaut, in denen sich einzelne TänzerInnen bewegen. Der dritte Teil – wieder auf der Bühne - beginnt mit einer langen Sequenz, in der sich die TänzerInnen in Zeitlupe über die Bühne bewegen und lange Stöcke hinter sich herziehen. Am Bühnenrand verdreht und verrenkt ein Tänzer seinen edlen Oberkörper. Danach ändert sich die Szene jeweils nach einem Black-Out, in dem das Mobiliar schnell umgestellt wird. Nun robben die TänzerInnen im Dessous über die Bühne, einer ist sogar splitternackt. Und so weiter und so fort ...
Das Problem ist, dass Ekman sich nicht entscheiden kann, ob er mit dem Stück das Publikum unterhalten möchte oder ob er eine Kritik an der Unterhaltungsindustrie beabsichtigt. Das Resultat dieser Unentschlossenheit ist eine scheinbar wahllose Aneinanderreihung von Klischees aus einem großzügig definierten Unterhaltungsgenre – von Ballett bis Google.
Freilich muss eine künstlerische Studie nicht analytisch vorgehen, aber eine gezieltere Auseinandersetzung mit dem Phänomen „entertainment“ hätte dem Ganzen sicher nicht geschadet. Dass die das Geschehen begleitende Hysterie einfach nur nervt, mag auch an der Besetzung liegen. Vielleicht fällt diese in der Originalbesetzung milder aus, wenn die weiße Gestalt von einem Mann und nicht wie es in St. Pölten der Fall war von einer Frau, die noch dazu nicht klar artikuliert und über weite Strecken unverständlich kreischt, gespielt wird.
Ok, er ist 27 Jahre alt. Dass der Schwede mit Ausbildung an der Königlichen Ballettschule Stockholm in diesem Alter bereits eine dramaturgisch logische Choreografie auf die Beine stellen kann und dabei auch noch die eingesetzten Medien meistert – und das ist ihm auch bei „A Study of Entertainment“ gelungen - mag ihm den Beinamen „Wunderkind“ eingebracht haben. Dass seine Arbeit aber mehr oder weniger lustig an der Oberfläche daher schwimmt, ist nicht allein seinem Alter zuzuschreiben. Das Thema „entertainment“ wurde in letzter Zeit in weit weniger aufwändigen Tanz- und Performanceproduktionen wie zum Beispiel bei Superamas oder Forced Entertainment viel interessanter umgesetzt - von William Forsythe ganz zu schweigen.
Cullberg Ballet: „Ekman’s Triptych. A Study of Entertainment“, Festspielhaus St. Pölten, 14. Mai 2011.