Ohne Facebook und Skype, ohne Youtube und Chatprogramm, ohne Mobiltelefon und iPad, kurz ohne das dicht gespannte Netz in der virtuellen Welt geht gar nichts mehr, vor allem nicht Kommunikation. Florian Berger und die „Flowmotion dance company“ haben sich des Themas mit dem Stück „Virtual Insanity“ auf unterhaltsame Weise angenommen und sind zu einem überraschenden Schluss gekommen.
im Halbdunkel spannen sich die Netze, ratlos hüpfen oder schreiten die Benutzer im Wirrwarr der gespannten Fäden von Kontaktpunkt zu Kontaktpunkt. Kontakt bekommen sie dennoch keinen. Im Halbdunkel der Bühne wird das Netzwerk der virtuellen Welt, dem sich vor allem Jugendliche kaum entziehen können, fantastisch durch eine interaktive Grafik- und Licht-Projektion (Martin Zeplichal) auf dem Boden und an der Wand hinten sichtbar. Die Figuren irren als Schemen durch diese vernetzte Welt, können einander nicht sehen, nicht berühren – der Frustpegel steigt. Noch ist es nur eine Visualisierung dessen, was tatsächlich passiert, wenn man stundenlang vor dem Computer hockt, um zu chatten und zu spielen, zu bloggen und zu posten. „Was tust du gerade?“ fragte Facebook. Ob es jemanden interessiert?
Einem wird dieses Spiel mit den Unsichtbaren und Unberührbaren zu viel. „Ich brauche ein Spiel“, ruft er in die unbekannte Menge, ein wirkliches Spiel. Der Appell hat Wirkung: die MitspielerInnen befreien sich aus der Verstrickung der Netze und finden zueinander, spielen ein auch für die Zuschauer belebendes Spiel: Als Schattenfiguren formen sie überraschende Skulpturen hinter der Leinwand: Tiere, ein Auto, das sich zum Cabriolet wandelt, eine Vespa mit Fahrer, der der Auspuff locker sitzt. Allein diese Körperplastiken sind ihre frappierenden Aufbau schon das Hinschauen Wert, bis ins kleinste Detail sind sie durchgestylt. Was die Zuschauer amüsiert ist für die einst im Netz verstrickten ein Aha-Erlebnis: Sie kommunizieren miteinander, sie berühren einander, spüren warme Haut und Atemhauch. Jetzt geht es erst wirklich los: Die sieben jungen TänzerInnen (Choreograf Berger mitten darunter) zeigen mit Saltos und Brückenschlag, mit innigen Pas de deux und männlichem Schulterklopfen, was es heißt, Beziehungen aufzubauen, sich zu unterhalten und zu amüsieren. Energiegeladen und voll Animo tanzen und turnen sie ihre Befreiung aus der virtuellen und die Rückkehr in die reale Welt. Eine knappe Stunde, die gezeigt hat, dass der Tanz lebt, dass eine kluge Idee (und vorangehende Kopfarbeit) nicht zu Stillstand führen muss sondern in erquickender körperbewusster Bewegung münden darf.
Das junge Ensemble der flowmotion dance Company (Ayberk Esen, Maria Gabler, Paz Katrina Jimenez, Jan Raffael Löbl, Patric Redl und Ning Teng) rund um Florian Berger, erhielt 2006 (damals noch unter dem Namen ADP) einen Preis beim Szene Bunte Wähne Choreographie Wettbewerb, 2009 war „Trendsetter“ auch in einer abendfüllenden Fassung fertig. Bergers neues Stück, bietet durch das Zusammenwirken der TänzerInnen mit den interaktiven Projektionen den ZuschauerInnen doppeltes Vergnügen, eine eindrucksvolle Lichtschau, die von den Mitwirkenden gesteuert wird und frischen energetischen Tanz. Das jugendliche Publikum war gespannt und schließlich hellauf begeistert.
„Virtual Insanity“, Uraufführung, 27. April 2011 im Dschungel Wien.
Nächste Aufführungen29. , 30 April; 17.–20. Mai