Ein kleines Wunder? Nach vielen, vielen Jahren steht wieder ein richtiger Ballettprinz auf der Bühne der Staatsoper, der nicht aus Russland kommt sondern ein Wiener, ein echter Wiener ist. Voll überzeugen konnte er, Jakob Feyferlik, der jüngste Solist des Wiener Staatsballetts, bei seinem Rollendebüt als Prinz Siegfried (1. Juni). Mit tänzerischer Noblesse sollte der Zwanzigjährige in diese Traumrolle hineinwachsen.
Genügend Stärken zeichnen diese junge Wiener Ausnahmeerscheinung aus: Eine hochgewachsene Erscheinung mit frischer natürlicher, noch etwas verhaltener Ausstrahlung; sehr saubere Technik; mit eleganter Linie, vornehm in Pose und in der Luft; ein sensibel mitgehender aufmerksamer Partner für Nina Poláková in der Doppelrolle als Odette/Odile. Diese Vorstellung des Staatsballetts ist dem früheren Wiener Ballettstar Karl Musil (1939 – 2013) gewidmet gewesen. 1964, als Rudolf Nurejew diese seine Erfolgschoreographie mit den heimischen Tänzern in aufreibender penibler Arbeit in der Staatsoper einstudierte, ist Musil Nurejews Proben-Double gewesen ist. Und in späteren Jahren hatte Musil als hingebungsvoller Pädagoge seinen Musterschüler Jakob Feyferlik in die Tanzkunst eingeführt.
Und weiter im "Schwanensee"–Reigen (4. Juni) des Wiener Staatsballetts, unter der musikalischen Leitung des Londoners Alexander Ingram und mit Principal Dancers des Londoner Royal Ballet. Das perfekte Zelebrieren von technischen Finessen und Pantomime beherrschen diese: Marialena Nunez erweckt mit ihren betont langsamen, poetisch erzählenden Port de bras den Eindruck, gleichsam eine im Wasser dahin gleitende Schwanenkönigin zu sein. Vadim Muntagirov versteht als vollreifer (doch nicht überreifer) Prinz seinen leichtflüssigen Bewegungsfluss und seine Sprungkraft höchst elegant zu demonstrieren.
Anfangs verwirrend war an diesem Abend zu erleben, dass während Tschaikowskis Schwanensee-Zaubers auf staubtrockener Bühne ein ordinärer Wasserschaden zu einer Unterbrechung der Aufführung mit zusätzlicher Pause führen kann: Unvermutet erlosch das Licht im Orchestergraben während des Defilées der großen und kleinen Schwäne im zweiten Akt. Einige Takte spielten die Musiker weiter, resignierten dann doch, während die wohl geordnete Kompanie der tanzenden Schwäne auf Erlösung hoffend in ihren Posen erstarrte. Kurzschluss! Hervorgerufen durch einen Wassereintritt in der Lüftung des Balkons während des sanften Pfingstregens. Der Stimmung im Publikum hat es nicht geschadet, erfreulich ist ein voller Erfolg für die Gäste und die tapferen Schwanenmädchen des Hauses zu registrieren.
Wiener Staatsballett: "Schwanensee" am 1. und 4. Juni 2017. Weitere Vorstellungen am 8. und 12. Juni 2017